Regina und Bernd Finken aus Bremen, am 20. Februar 2016
Es gibt Dinge, die sind nun wirklich unpassend bei einem Krimi im Theater. Aber Luft geholt hatten wir schon, um „Zugabe!“ zu rufen! Im letzten Moment haben wir es dann in „Bravo!“ geändert. Obwohl: „Bravo!“ ist zu wenig für diesen tollen Premierenabend von „Mord an Bord“. Es hat einfach alles gepasst: Bühnenbild, Technik (man erkennt die Qualität der Bühnentechnik daran, dass man sie kaum bemerkt), Kostüme, Maske und vor allem natürlich die wieder einmal wundervollen SchauspielerInnen.
Neun phantastische Menschen haben sich da in Weyhe auf der wohlbekannten Bühne getroffen, um die Zuschauer in ihren Bann zu schlagen. Und das haben sie geschafft, unterstützt durch den logischen und für den Zuschauer gut verfolgbaren Ablauf der Geschichte. Im ersten Teil wird die aktuelle Situation und die Vorgeschichte beschrieben, die der Besucher einfach braucht, um alles verstehen zu können. Er gipfelt in der Katastrophe. Die darauf folgende Pause ist bitter nötig für alle hinter und vor dem Vorhang. Die einen brauchen neue Kraft für den nun beginnenden Showdown, die anderen müssen unbedingt loswerden, welche schlimmen Geheimnisse sie im Laufe des Stückes entdeckt haben und welche Schlussfolgerungen sie daraus ziehen. Im zweiten Teil des Stückes zieht sich die Schlinge immer schneller zu um die böse Tat bis hin zum überraschenden Finale der Geschichte.
Merken Sie was? Natürlich! Wir winden uns wie die Schlangen, um nichts vom Ende der Geschichte zu verraten und dennoch allen Lesern mit zu teilen, wie spannend und sehenswert das Stück ist. Es ist ein ungeschriebenes Theatergesetz, an das sich bisher alle Besucher mit Charakter gehalten haben: wer den Ausgang eines Bühnenkrimis verrät, ist niederträchtig! Und wer will das schon sein? Wer will nachfolgenden Besuchern die Freude nehmen, selbst zu ermitteln? Wie dem auch sei: unsere Lippen sind versiegelt. Kein Wort über Schuld und Unschuld auf diesem herrlichen Schiff auf dem Nil, wird ihnen entfleuchen.
Deshalb werfen wir einen Blick auf die Figuren und die Akteure, die sie verkörpern: Louise ( gespielt von Annika Zaich) mit dem süßen französischen Akzent und dem verführerischen Lächeln; Christina (Sarah Kluge), die sich lieb und brav ziemlich gemein ausnutzen lässt von ihrer Tante Miss Foliot-Foulkes , die durch fragwürdige Vergesslichkeit auffällt (gespielt von der köstlichen Isolde Beilé, von der wir gerne noch viel viel mehr in der nächsten Zeit sehen würden); Jacky (Nathalie Bretschneider), die mit einer subtilen Fiesheit immer dann auftaucht, wenn niemand mit ihr rechnet; die süße, aber durch Geld etwas verdorbene Kay (Isabell Christin Behrend), die, wie wir ja alle durch die Vorabveröffentlichungen wissen, das Ende des Stückes nicht erleben wird; Dr. Agropulos (Joachim Börker), der zwar Arzt ist, aber dennoch seltsam reagiert, wenn es um seine Vorgeschichte geht, Mr. Smith (Simon Kase), der erst durch Frechheit, dann durch ein Wissen auffällt, dass er eigentlich doch gar nicht haben könnte; Simon (Marco Linke), Ehemann von Kay und einer der Hauptleidtragenden des Dramas, sowohl körperlich als auch seelisch und schließlich Domherr Pennefather (Thorsten Hamer, der in diesem Stück zeigt, dass ihm ernsthafte Stücke ebenso liegen, wie Komödien), der zwar pflichtgemäß christlich reagiert, aber dennoch nicht so ganz astrein zu sein scheint. Mit einem Wort: Bis auf Kay sind alle hinreichend verdächtig, Böses getan zu haben. Das sagen alle in der recht lauten Pause. Laut, weil so viel geredet und spekuliert wird. Man merkt: das Publikum hat Spaß und verdächtigt begeistert vor sich hin. So und nicht anders muss ein Krimi sein!
Eines noch: auch das Publikum muss sich bei diesem Stück umstellen. Der Besucher muss anders an den Krimi herangehen, wie an ein Musikstück oder eine Komödie, denn ein Krimi verlangt schon mal eine deutlich höhere Aufmerksamkeit. Denn ständig läuft der ermittelnde Zuschauer Gefahr, einen Schlüsselsatz zu verpassen und dann in eine Sackgasse bei seiner Tätersuche zu geraten. Das strengt schon auch ein wenig an. Aber dafür gibt es ja die herrliche Isolde Beilé, über die alle dankbar und befreit lachen können, bevor sie sich wieder auf die Lösung des Verbrechens konzentrieren.
Und nun: viel Vergnügen auf dieser einmaligen Nilkreuzfahrt. Und bloß nicht vergessen: irgendwo in den Kabinen, auf der Brücke, der Sonnenterrasse oder in den Tiefen des Maschinenraumes schleicht lautlos das Böse und wartet auf seine Gelegenheit, wieder erbarmungslos zuschlagen zu können. Seien Sie auf der Hut…