Regina und Bernd Finken aus Bremen, am 18. November 2018
Im wahrsten Sinne des Wortes! Das war
EINE SCHÖNE BESCHERUNG
…und sie sind doch Engel!
Wenn das Publikum wie ein Mann aufspringt am Ende der Vorstellung. Wenn es endlos applaudiert und begeistert Hochrufe ausstößt, wenn die Zuschauer genauso gerührt über das wunderschöne glückliche Ende des Stückes sind, wie die Schauspieler über die grenzenlose Begeisterung ihrer Gäste, dann ist der Abend perfekt. Und genau das war es: ein perfekter Abend mit einem Stück, das genau in die Jahreszeit passt, gespielt von wunderbaren Schauspielern, für die das Stück scheinbar direkt geschrieben wurde, in wundervollen Kostümen (natürlich vor allem die Damen), in manchmal berührenden und manchmal brüllend komischen Szenen. Oh ja, es handelt sich trotzdem und gerade deshalb um ein echtes Weihnachtsstück. Etwas außergewöhnlich Besonderes wird es aber durch seine ordentliche Portion schwarzen Humors, eigentlich selten bei Weihnachtsaufführungen zu finden, aber hier ist genau er das Tüpfelchen auf dem I.
Doch nun zum Inhalt:
Cayenne in Französisch-Guyana im Jahr 1880. Heiligabend. Drei Insassen der Sträflingskolonie, dem Bagno, beschließen – natürlich illegal, denn sie haben ihre Strafen noch nicht abgesessen – ihre Rückkehr in die Heimat. Dafür brauchen sie Geld. Und das wollen sie sich besorgen, indem sie die Ladenbesitzerfamilie Ducotel erleichtern. So der Plan. Aber es kommt alles anders. Während sich die drei Häftlinge darum bemühen, durch kleine Reparaturarbeiten auf dem Hausdach, Vertrauen bei den Ducotels zu erlangen, merken sie schnell, dass die Ducotels eigentlich auch nicht besser dran sind, wie sie selbst. Es ging ihnen gut in der Heimat, doch durch ihre Gutmütigkeit verloren sie ihren Laden in Le Havre, der ihnen dann vom Cousin Juste, einem geldgierigen Geschäftsmann, weggeschnappt wurde. Um die - in Justes Augen - Versager los zu werden, schickt er sie in die Strafkolonie, 6000 km von Frankreich entfernt, damit sie das dortige Geschäft führen. Doch auch hier steht der Laden nach einem Jahr durch die Gutmütigkeit der Ducotels kurz vor der Pleite.
Das hält die Ducotels aber nicht davon ab, großherzig zu sein. Sie haben die Sträflinge eingeladen, mit ihnen Weihnachten zu feiern. Aber das Geld ist knapp. Es reicht nicht für einen schönen Weihnachtsbraten, passenden Wein, einen Weihnachtsbaum und schönen Blumenschmuck. Also machen Jules, Alfred und Joseph einen Spaziergang durch Cayenne. Und was ihnen da so „nachläuft“ macht die Ducotels sprachlos.
Doch das Unglück naht! Cousin Juste, der ausgemachte Widerling, ist ausgerechnet an Weihnachten aus dem Mutterland gekommen, um die Bücher zu prüfen. Nur Tochter Isabelle freut sich, denn Trochard wird von seinem Neffen und Erben Paul Cassagnol begleitet, in den sie unsterblich verliebt ist. Was sie nicht weiß: der ist schon lange einer wohlhabenden Festlandfranzösin versprochen und denkt gar nicht daran, sich mit der hübschen aber armen Isabelle abzugeben. Das alles hören die schweren Jungs Jules, Alfred und Joseph bei ihren Reparaturarbeiten auf dem Dach. Und sie beschließen, ihre Flucht noch ein wenig aufzuschieben. Den liebenswerten aber doch auch leicht naiven Ducotels muss geholfen werden! Und am besten so, dass sie es gar nicht wirklich merken. Und da gibt es ja auch noch Adolf, das winzig kleine Haustier von Alfred…
„Eine schöne Bescherung“ oder wie die Filmversion heißt „Wir sind keine Engel“, ist eine herrliche Geschichte rund um Weihnachten mit drei scheinbar schlimmen Bösewichten, die aber doch wie wahre Engel eine furchtbare Situation zum Guten wenden. Dennoch endet die Geschichte mit Toten, um die es jedoch dem Zuschauer, wenn er ehrlich ist, eigentlich gar nicht so Leid tut. Und es sind ja auch irgendwie keine Morde, sondern eher Unglücksfälle, Unachtsamkeiten und Zufälle, die genau die Richtigen treffen. Mit einem Wort, eine wunderbare Geschichte, die so richtig in die Weihnachtszeit passt. Aber ACHTUNG! Es gibt nur ganze elf Termine vom 15. bis 25.11., und die sind nicht im Abo enthalten! Um das Publikumsinteresse wenigstens etwas zu befriedigen, gibt es aber schon Zusatztermine in der Nachweihnachtszeit vom 16. bis zum 20 Januar. Aber ob das reicht?
Sagen wir es mal ganz deutlich: wer dieses Stück verpasst, der verpasst auch einen der Theaterhöhepunkte des Jahres in Weyhe. Frank Pinkus hat in seiner unnachahmlichen Art aus einem nicht mehr ganz jungen Klassiker der Bühne ein zeitloses Juwel geschaffen, das man sich nicht nur einmal ansehen sollte. Frank Pinkus selber, Kay Kruppa und Thorsten Hamer spielen die drei engelsgleichen Bösewichte einfach wunderbar. Kaum zu glauben, aber da verblassen selbst die Weltstars aus der Verfilmung mit Humphrey Bogart, Peter Ustinov und Aldo Ray. Ganz schrecklich zum lieb haben ist die Familie Ducotel, verkörpert von Wiebke Claßen, Sarah Kluge und Hermes Schmid und einfach nur genial gemein ist Joachim Börker als fieser Cousin und als eine Mischung aus hinterhältig und trottelig stellt Marc Gelhart den blondgelockten Neffen Paul dar.
Es war ein großartiger Abend mit wundervollen Schauspielern in einem Theaterstück, das einfach Pflichtbesuch sein sollte in der Vor- und Nachweihnachtszeit. Schade, dass es nur so kurz gespielt wird. Aber es reicht doch, um Kult zu werden – oder lieber Theaterfans?