Bernd Finken aus Bremen, am 31. Dezember 2015
Saisonbericht 2015/2016
Oh was ging es wieder schnell in diesem Jahr. Kaum hat die Saison begonnen, ist sie auch schon wieder halb rum. Es kann einem wirklich schon fast schwindelig werden. Und doch. Denkt man zurück an den Saisonauftakt, muss man wirklich in sich gehen, um sich an das erste Stück zu erinnern, weil einfach so viel passiert in Weyhe. Obwohl das gar nicht so schwer ist, denn die Saison begann nicht wie bisher mit den Highlights aus der Vorsaison, sondern ging gleich vom ersten Tag an in die Vollen! Und was für ein Start war das erste Stück!
Am 2. September ging es los mit einem Knaller – und hat niemanden bis zum heutigen Tag losgelassen: ‚Ein Traum von Irland’. Von Anfang an lief dieses Stück wie die irische Feuerwehr. Und was seltsam war und ist: es zieht viele Menschen an, die eigentlich gar nicht so wild auf musikalische Stücke sind. Nur die Dorfkneipe von Leenane mit dem schönen Namen „The Harp“, von dem Jack McDoyle und Shane McCardigan, gespielt von den Säulen des Weyher Theaters Frank Pinkus (gleichzeitig auch Autor und Regisseur des Stückes) und Kay Kruppa, Abend für Abend behaupten, er wäre nicht gerade ein Ausbund von Kreativität seitens des Wirtes Tubby Tubson, bildet da eine wirklich außergewöhnliche Ausnahme. Bis dahin völlig unmusikalische Besucher summen schon in der Pause die ersten Melodien mit und drängen sich mit einem Lächeln auf dem Gesicht und einem Song auf den Lippen an die Bar, um die Pause stilecht mit einem ordentlichen Tröpfchen zu beginnen. Und wenn sich das Stück dem Ende zuneigt, dann steht das Publikum wie eine Eins, hört nicht auf zu applaudieren und zeigt den Akteuren auf der Bühne, das auch Nichtsänger aus dem Publikum den Mut aufbringen, dennoch laut und inbrünstig mitzusingen. Wobei auf der Bühne eigentlich nur ein einziger Nichtsänger ist: Tubby Tubson, Wirt, Original und einer der Sympathieträger des Dörfchens. Alle anderen sind sehr wohl Sängerinnen und Sänger. Und was für welche! Von mitreißenden irischen Kneipenliedern bis zu intensiv berührenden Balladen steigern sie sich von Song zu Song. Ein wahrhaft unvergesslicher Abend!
Für den Darsteller von Tubby Tubson war ‚Ein Traum von Irland’ der Einstand auf der Bühne in Weyhe: Thorsten Hamer. Und er erlebte den Traum von Weyhe, denn was dann passierte, geschieht nicht oft bei dem manchmal etwas drögen norddeutschen Publikum (wir dürfen das sagen, denn wir gehören dazu): Die Herzen flogen ihm sofort zu! Und schon bei dem zweiten Stück, wo er dann wieder eine der tragenden Rollen spielte, gewann er die tiefe Sympathie von (ungelogen) Tausenden von Zuschauern und gehört nun zu den klaren Publikumslieblingen. Auch auf der Bühne gibt es also immer wieder kleine Wunder! Ebenfalls wunderbar war der Einstand von Lisette Groot, die in Irland erstmalig auf der Bühne in Weyhe dabei war. Was für eine Stimme! Und absolut herrlich das Duett Carrickfergus mit Sarah Kluge. Dauergast auf der Bühne bei diesem Stück war Patrick Kuhlmann. Er sagt kein Wort und ist dennoch unverzichtbar mit seiner sensiblen und überzeugenden Begleitung der Sänger an der Gitarre.
Wo wir schon vom zweiten Stück der Saison sprechen: am 21. Oktober wurde es ernst mit dem Spaß: ‚Loriots dramatische Werke’ feierten fröhlichen Einstand. Erstmals auf der Bühne in Weyhe war hier Isolde Beilé zu erleben. Eine starke Persönlichkeit mit großer Ausstrahlung, die das Ensemble hervorragend ergänzt. Beispielhaft sei hier die Szene bei der Eheberaterin genannt. Nach langer Pause endlich wieder in Weyhe begrüßten wir Heidi Jürgens, die unter anderem als Fernsehansagerin für Lachstürme sorgte.
Erstmals erlebten wir auch, was es heißt, unter gnadenlosem Lampenfieber zu leiden: Paula, die eigentlich nichts und niemand erschüttern kann, hatte es erwischt: nachdem sie in den ersten Vorstellungen extrem locker auf das berühmte Loriotsofa neben Herrchen Hermes Schmid sprang, war es plötzlich damit vorbei. Die Aufregung ließen Ihre kleinen krummen Beinchen versagen. Nur gut, dass es große Schauspielerkollegen gibt, die dann liebevoll Hilfestellung leisten! Oh! Wir vergaßen zu berichten, dass Paula eine waschechte Möpsin ist, ohne die, wie wir ja alle wissen, ein Leben zwar möglich, aber sinnlos ist. Das Weyher Theater ist eben einzigartig!
Was uns am intensivsten bei Loriot berührte? Der Mensch ist komisch, wenn es um Komik geht: aber es war wirklich ein totunglückliches Gesicht, begleitet von dem in unendlicher Trauer gesprochenen Satz: „Ich möchte doch nur ein weiches Ei!“ Damit wird uns Joachim Börker nie wieder aus dem Kopf verschwinden!
Die dritte Premiere der Saison 2015/16 erlebten die jüngsten Besucher des Theaters: das Weihnachtsmärchen Aschenputtel. Wie schön zu erleben, dass die Kleinen nicht abgefrühstückt werden, sondern eine mit der gleichen Sorgfalt und Mühe, wie alle anderen Stücke auch, gestaltete Märchenvorstellung erleben, die allein wegen der Kulissen, dem traumhaften Licht, den herrlichen Liedern und den Kostümen einen Besuch wert ist. Hört man Musik im Theater in Weyhe, denkt jeder an den Namen Kuhlmann. Und tatsächlich zeichnete auch hier ein Kuhlmann verantwortlich für die Musik: Patrick, zusammen mit Bruder Kevin und Bassist Stefan Reich. Und überhaupt: wenn es die Kuhlmanns nicht schon gäbe, müsste man sie erfinden!
Neu bei Aschenputtel war Isabell Christin Behrendt mit Nathalie Bretschneider eine der beiden kleinen herrlich fiesen Stiefschwestern von Aschenputtel und eigentlich auch Annika Zaich, die zwar schon in der Vorsaison einsprang in den letzten Cashvorstellungen, ihren offiziellen Einstand aber erst in dieser Saison hatte. Sie spielte zusammen mit Marc Gelhart die weibliche Hälfte des Taubenduos Emma und Fabian, die das Stück mit den Kindern zusammen durchleben. Ganz gemein: die böse Schwiegermutter. Wie kann ein sooo lieber Mensch wie Lisette Groot nur so perfekt eine derart hinterhältige Figur spielen? Wir sind fassungslos!
Inzwischen auch bereits eine feste Hausnummer auf der Besetzungsliste in Weyhe ist Sarah Kluge, die das arme und unscheinbare Aschenputtel gab und sich am Ende dann zu einem wunderschönen Schmetterling entpuppte! Für sie wurde die allerletzte Vorstellung am Heiligabend zu einem unvergesslichen Datum, erhielt sie doch von ihrem Freund mitten auf der Bühne vor den Augen aller einen Heiratsantrag.
Doch zurück zum Stück! Fehlt noch der Adel: Papa König, gespielt von Joachim Börker, der die Kinder mit seinen Schrullen und Macken immer wieder begeistert und Simon Kase als Sohn Prinz Julian, dem mit seiner Sturheit, unbedingt den wirklich passenden Fuß zu dem gefundenen Schuh zu finden, zu verdanken ist, dass das Stück doch noch gut ausgeht. Erstaunlich, was kreative Theaterleute aus einer Geschichte machen können, die eigentlich doch schon in allen möglichen Facetten gespielt wurde. Eigentlich! Nur in Weyhe ist wieder einmal alles anders. Es gibt eben immer die Weyher Version. Und die ist in jeder Beziehung besonders! Etwas ganz Besonderes erlebten wir nach dem Ende einer Morgenvorstellung. Unglaublich ruhig und artig verließen die Kinder das Theater. Wir haben noch nie so viele Kinder gesehen, die völlig gefangen von dem Gesehenen so brav und lieb waren. Es war ergreifend, die Theatergäste von Morgen so fasziniert zu sehen.
In diesen Bericht gehört eigentlich auch ein Bühnenwerk, das auf ganz kleiner Bühne zu ebener Erde präsentiert wird: ‚Liebe, Leid und Lust’, ein ganz besonderer Liederabend von Hermes Schmid, begleitet von Kevin Kuhlmann am Klavier. Unglaublich! Schon wieder ein Kuhlmann! Geboten werden Lieder und Texte von Einst und Jetzt, die sich samt und sonders mit den Licht- und Schattenseiten der Zweisamkeit beschäftigen. Ein herrlich unterhaltsamer Abend, der für alle ein Wiederhören mit Bekanntem und ein Kennenlernen von Neuem bringt. Diese Veranstaltung findet statt im Theaterpub Shakespeare’s im Rahmen des Special Monday. Es empfiehlt sich, sehr sehr früh für Karten zu sorgen, denn es gibt nur eine Vorstellung jeweils im Januar, Februar und März und die Plätze sind sehr begrenzt. Dafür sitzt man dann aber auch ganz hinten dennoch ganz nahe an der Bühne.
Und wieder möchten wir unseren ganz besonderen Dank an die senden, die leider oft vergessen werden, aber ohne die es nicht funktionieren würde, dem Traum vom Theater Leben einzuhauchen: die guten Geister im Hintergrund, die immer da sind, wenn Eintrittskarten gebucht werden, wenn Gäste einen Schluck zu trinken haben möchten, wenn ein neues Stück ganz besondere Kulissen braucht, wenn die Prinzessin ein wahrhaft königliches Kleid benötigt, wenn die Künstler auf der Bühne in traumhaftes Licht getaucht werden sollen und neuer Sound gezaubert werden muss. Und nicht zu vergessen die, die fast schon im Geheimen wirken: die Menschen, die tagein, tagaus mit Zahlen jonglieren und dafür sorgen, dass alles im schwarzen Bereich ist und auch die, die dafür arbeiten, dass einfach immer alles im richtigen Moment da ist und immer funktioniert – auch die unscheinbarsten Kleinigkeiten. Und das ist und tut es. Danke für Euren Einsatz! Danke für ein wundervolles Theater, das nur durch Euch lebt!
Und nun: auf in ein neues Theaterjahr in Weyhe! Es beginnt mit weiteren Vorstellungen der so erfolgreichen dramatischen Werke von Loriot, gefolgt von der ersten Premiere des Jahres: „Nachdem ich mich hier versammelt habe…“. Thorsten Hamer in seiner Paraderolle als Heinz Erhardt. Dann gibt es von Ende Januar bis Mitte Februar eine stimmungsvolle Zugabe aus Leenane: ‚Ein Traum von Irland’. Ab Mitte Februar bis Ende März wird es knisternde Spannung geben: ‚Mord an Bord’ – die Bühnenversion des Klassikers Tod auf dem Nil von Krimikönigin Agatha Christie. Von April bis Mitte Mai gibt es ‚Ein Bett für vier’. Eine Komödie mit den Publikumslieblingen Antje K. Klattenhoff, Kay Kruppa, Frank Pinkus und Thorsten Hamer. Schließlich kommt dann das große Finale der Saison 2015/2016: ‚Man(n) zieht Blank’ mit großer Besetzung der jüngsten männlichen Vertreter des Ensembles. Dann auch wieder in Weyhe dabei: Carsten Steuwer, der noch in guter Erinnerung ist aus ‚Die Sonne und Du’ im Jahr 2015. Die Saison endet dann am 25. Juni 2016, wenn ein letztes Mal auf der Bühne blank gezogen wird. Aber bis dahin gibt es ja noch so viele Premieren und Spaß auf der Weyher Bühne.
Wir wünschen allen Beteiligten viel Spaß bis zum Saisonende und dem Publikum herrliche entspannende komische und manchmal auch etwas nachdenkliche Vorstellungen im schönsten Theater Norddeutschlands!
AUF EIN TOLLES THEATERJAHR 2016!